14. Mai 2009 - zuletzt aktualisiert am 4. März 2021 Von Chris G. 1

Wurmfarm, Kompostwürmer-Zucht und Humusproduktion

Kompostwürmer

Was wäre eine angestrebte Selbstversorgung ohne den natürlichen Kreislauf der Humusproduktion? Bioabfälle werden von Kompostwürmern, Asseln, Enchyträen, Milben und Bakterien zersetzt und in das “schwarze Gold” verwandelt. In einer  Wurmkompostierungsanlage (kurz: Wurmfarm) wird das unter möglichst optimierten Bedingungen realisiert.

Sicher, es gibt weitere Möglichkeiten wie Terra Preta, EM und energetische Methoden wie den Orga Urkult. Doch ich finde die Wurmkompostierung einfach am Natürlichsten; die funktioniert ja in jeder Bodenschicht, wo eine Bodendecke aus abgestorbenen Blättern erlaubt ist. Machen lassen! Darüber kann jeder “eifrige” Mensch, der das Laub entsorgt, einmal gemütlich nachdenken.

Rotwürmer: Kompostwürmer (Foetida eisenia, Mistwürmer (E. andrei) und Dendrobena (E. hortensis syn. Dendrobena veneta)

Semiprofessionell betreibe ich seit 2005 eine kleine Wurmzucht, in welcher ich Kompostwürmer (Eisenia foetida) und Mistwürmer (E.andrei) halte und vermehre. Es macht unglaublich viel Spaß, den Prozess mit zu erleben und die aufbauenden Prinzipien der Natur verstehen zu lernen.

April 2008 – meine erste kleine Freilandanlage konnte ich dank lieben Freunden nicht weit von Potsdam aufbauen. Die Würmer versorge ich mit Pferdemist, Stroh und den Bioabfällen aus der Küche. Ganz besondere Leckerbissen für die fleißigen Freunde sind Kaffeesatz, Teesatz, Zwiebelschalen und zerdrücktes Fallobst.
Einige Zeit lang betrieb ich eine kleine Zucht mit Dendrobena (s. Bild links) – Dendrobena veneta oder Eisenia hortensis – im Keller, jedoch habe ich seit dem Umzug letzten Herbst keinen Platz mehr für die Boxen. Inzwischen tummeln sich die Würmer daher zusammen mit den Kompost- und Mistwürmern in der Freilandanlage.
Dendrobena werden deutlich größer und sind wanderlustiger als die kleineren Rotwurmarten, weswegen ich sie auch bereits in nahen (gemulchten) Beeten fand.

Wurmhumus (Wurmkompost, Wurmerde, Vermicompost, Wurmlosung, engl. worm castings)

Das Verdauungsprodukt der Regenwürmer  – das eine Endprodukt einer Wurmfarm – heißt Wurmhumus, Wurmkompost oder Wurmerde. Das tiefschwarze krümelige Substrat besitzt eine Reihe von positiven Eigenschaften, welche es deutlich von anderen Düngern und Erden abhebt.  Heinz Erven nannte es wie ich finde zu Recht das „schwarze Gold“.
Wurmhumus hat viele katalytische und heilende Eigenschaften und verfügt über einen ausgeglichen hohen Anteil von bioverfügbaren Nährstoffen. Es enthält die sogenannten Ton-Humus-Komplexe, welche Wasser gut binden und daher gerade für sandige Böden ideal sind. Aus diesem Grund verwende ich Wurmhumus gern, um Gemüse wie Kohl oder Rüben auf “märkischem Sand” erfolgreich zu ziehen oder kranke oder empfindliche Pflanzen wie Rosen zu heilen und gesund zu erhalten. Wurmhumus ist ebenfalls eine ideale Anzuchterde für viele Pflanzen. Wurmhumus hat meiner Meinung nach viele der den Effektiven Mikroorganismen (EM) nachgesagten Eigenschaften: biologisch, harmonisierend, katalytisch, aufbauend.

Fragen von Neulingen der Kompostwurmzucht

  1. Welcher Standort wäre geeignet?’
    Nicht zu windig und auf Boden der Wasser gut ablaufen lässt. Ideal finde ich Halbschatten, offen nach Osten, Ausrichtung der Mieten von Norden nach Süden.
  2. Hauen die Würmer ab?
    Das tun sie, wenn das Substrat ihnen nicht zusagt (zu warm/kalt, zu trocken/nass, zu sauer/alkalisch, Futter schon umgesetzt, zu wenig frisches vorhanden…). Mit einer guten Menge frischem Mist im November  kann das reguliert werden.
  3. Welche Tiere können ein Problem werden?
    a) Maulwürfe fressen am liebsten Würmer – gibt es diese also in der Nähe, sichere den Boden ab. Das geht mit Lochsteinen oder einen Trennvlies (Baumarkt / Baustoffhandel). Lochsteine allerdings lassen die Würmer im Winter nach unten fliehen – machen sie aber nur, wenn es so kalt wird, dass sie eh erfrieren würden. Permanente Geräusche wie Getrappel oder Maschinen übrigens vergraulen die Maulwürfe.
    b) Amseln, Krähen, Hühner… – diese suchen sich gern die dicksten Leckerbissen. Eine gute Abdeckung löst das Problem.
    c) Wildschweine – oja! Die suchen ab Herbst, wenn man seltener vor Ort ist und man nicht mehr durch ‘persönliche Marken’ abschreckt, gern ach Würmern, Engerlingen und anderen Kleintieren. Hier hilft nur konsequente Abschirmung – entweder des ganzen Grundstücks mit Wildzaun (20-30cm eingraben!), theoretisch auch eine Ablenk-Oase mit Topinambur.
    d) Hundertfüßer – die fressen auch Würmer, wenn diese weiter oben im Substrat sind. Die Verluste sind meiner Meinung nach vernachlässigbar.
    e) Freche Angler
  4. Wie kann ich den Kompost getrennt von den Würmern ernten?
    Das geht am einfachsten, indem zwei Mieten immer im Wechsel genutzt werden (Doppelkammer-Prinzip). In einer ist die aktuelle Umsetzung mit dem frischen Futter, dort leben die Würmer. In der anderen ist der umgesetzte Humus vom Vorjahr. Der wird geerntet oder umgelagert, bevor diese Miete für die nächste Saison neu angesetzt wird. Befinden sich beide Mieten bzw. Kammern direkt nebeneinander, wandern die Würmer selbstständig ins frische Futter.
  5. Wie ernte ich die Würmer?
    Einige Wurmfarmer nutzen dafür ein Rollsieb wie das RS 400 Kompostsieb. Ich tendiere eher dazu, die Würmer mit speziellen Leckerchen gezielt anzulocken. Das geht z.B. mit Toastbrot, feucht vermischt mit Kaffeesatz, ganz hervorragend. Auch zerquetschtes Fallobst klappt. Beim Herrn Grandt werden die Würmer auch per Hand gesammelt, so viel ich weiß.
  6. Wie sollte die Box konstruiert sein?

    Hier ist eine Bauzeichnung meiner etwas älteren Mieten. Statt Bretter und Pflöcken verwende ich z.T. allerdings inzwischen Kaninchendraht und Stahlstangen. So eine Doppelmiete ist praktisch, da die Würmer von selbst von einer fertigen Miete ins neue Futter umziehen.
  7. Was muss ich bei der Geländeplanung beachten?
    Es gibt einige Faktoren, die ich in meine Betrachtungen und Planung einbezog und auf der nebenstehenden Grafik zusammengefasst.
  8. Wie verhindere ich, dass die Würmer im Winter erfrieren?
    Mit genug Wärme – durch frischen Mist. Du kannst dafür eine neue Miete im Novmber anlegen, mit 50cm Neufutter und einer 20-30cm dicken Schicht Stroh. Lass den frischen Mist auf 30-25 Grad abkühlen, danach wandern die Würmer selbst hinein, wenn die Bedingungen stimmen. Wenn du Drahtgitter statt Holz als Einschalung verwendest, solltest du auch seitlich isolieren.
    Ein windgeschützter Platz ist sehr von Vorteil – auch im Sommer.
  9. Kann die Miete zu nass werden?
    Eigentlich schon – bei mir ist das allerdings nie passiert. Bei starkem Regen kannst du durch gewölbte Abdeckung (Stroh) den Abfluss überschüssigen Wassers unterstützen. Im Herbst ist eher die Abkühlung der Miete ein Problem – dann nimm zusätzlich Kreuzgewebeplane, wie man sie als Unkrautschutz verwendet.

Bildergalerie: meine kleine Wurmfarm

Tagebuch Kompostwurmzucht 2009 bis 2012

Update November 2009
Der neue Standort ist inzwischen gefunden und die Wurmfarm umgezogen.

Update März 2010
Eine Spezialeinheit “Märkischer Maulwurf” hat ca. 90% des Bestandes überraschend beschlagnahmt. Eine Rückgabe ist nicht zu erwarten.

Update Sommer 2010
Den Boden mit Lochsteinen vor den Erdschissern zu schützen ist recht teuer. Ich teste mal ein sog. Trennflies aus dem Baustoffhandel.

Update März 2011
Das Trennvlies funktioniert prima, das spart viel Geld und Zeit. Der harte Winter sowie weiter steigende Spritpreise bringen mich zur Notwendigkeit, die Basisstruktur zu verändern. Die Wurmfarm bleibt in ihrer jetzigen Größe bis das geklärt ist.

Update Mai
Die Kooperation mit einem Pferdehof ist nun bestätigt, in Kürze zieht meine Wurmfarm um. Ein Pilotprojekt wie es sein sollte: kürzeste Wege vom Material zur Umwandlung und Veredlung (‘Produktion’ klingt so unwürdig), minimaler Aufwand für Fahrten und das Materialumladen, gute Inspiration für Nachahmer. Über das Projekt werde ich weiter berichten, auch über den Vergleich der Wirtschaftlichkeit zur alten Methode. Es lebe die dezentrale Humuserzeugung.

Update Juli
Der Vergleich des Arbeitsaufwandes zum Vorjahr übertrifft leicht meine Erwartungen und liegt bei ca. 20% für die laufenden Arbeiten (Fütterung, Wässerung, Kontrollen), auch wurde eine Menge Sprit gespart. Darüber hinaus hat die Nähe der Pferde den Effekt, dass keine Maulwurfaktivitäten in der Nähe der Miete zu erkennen sind – das Bodenvlies könnte ich eigentlich für die nächste Miete einsparen. Die Bewässerungsanlage habe ich nun so konstruiert, dass sie für wöchentlich 3 Stunden die gesamte Mietenfläche optimal bewässert und ohne meine permanente Aufsicht arbeiten kann. Außer den 14-tägigen Fütterungen fällt bis nun kaum noch Arbeit an, die Würmer können sich in aller Ruhe vermehren, bis die ursprüngliche Populationsgröße wieder erreicht ist. Das Stroh habe ich inzwischen gegen ein relativ dünnes Unkrautvlies eingetauscht, was die Gefahr der Wildsamen reduzieren sollte.

Update April 2012 (gepostet erst am 4. Oktober)
Das Modell klappte und seit unserem neuen Gartengrundstück wird die Wurmkompostierung, wenn auch wieder im “normalen” Rahmen, immer wichtig bleiben. Hauptberuflich geht es erst einmal eher in Richtung meines neuen Shops. Schließlich muss ja auch dieses Blog finanziert werden.


Fachliteratur:

  • Studie der britischen Universität Essex hat mit einer Studie über 208 Projekte in 52 Ländern über die Folgen konventioneller Landwirtschaft, die Nichtlösung des Problems durch Gentechnik, und die Lösung des Problems durch naturnahe  Landwirtschaft aufgezeigt, Greenpeace-Magazin 2005/01
  • Sepp Holzers „Permakultur“,  Sepp Holzer, Leopold Stocker Verlag Graz-Stuttgart 2004
  • „Kompost- und Regenwurmzucht“, Manfred Schulze, Otto Maier Verlag Ravensburg 1985
  • „Anleitung für die leichte und billige Selbstzucht von Regenwürmern zum eigenen Gebrauch beim Angelsport, bei der Kompostierung, in der Forschung, im Unterricht, für Aquarien und Terrarien“,1986 DIRK e.V., Emmerich Verlag
  • „Eco-Lombrico – Eine italienische Regenwurm-Farm“, Übersetzung aus dem Italienischen von Carola Dinklage
  • „Praktische Gebrauchsanleitung zur Humusproduktion und Kompostregenwurmzucht“, Hans Kaegelmann, Paul Wilms, Hans Bartram, 1984 Verlag zur heilen Welt
  • “Manual of On-Farm Vermicomposting and Vermiculture”, By Glenn Munroe, Organic Agriculture Centre of Canada
  • „Familie der Regenwürmer“, W. Hoffmeister, Braunschweig, Druck und Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn, 1845
  • „Biomassegewinnung  durch Vermehrung wärmeliebender Regenwurmarten“, Institut für Mikrobiologie und  Landeskultur  der Justus-Liebig-Universität Gießen
  • „Kompostierung wirtschaftseigener Abfälle“, Deutsche Akademie der Landschaftswissenschaften Berlin, 1954
  • „Wohin mit dem Pferdemist?“, Dossier der Regenwurmfarm Tacke
  • “Der unbekannte Regenwurm”, H.H. Ziegelasch, Vermikultur Verlag Tuttlingen 1982